Definition Belastungsinkontinenz
Die Belastungsinkontinenz ist eine Form der Harninkontinenz. Sie basiert auf einer Schwächung des Schließmuskels der Blase. Ungeachtet dessen wurde diese Inkontinenzform früher auch als Stressinkontinenz bezeichnet. Aber der heutige Begriff „Belastung“ definiert das Erscheinungsbild stimmiger, denn der Harnabgang findet vor allem unter körperlicher Belastung statt, beispielsweise während des Niesens oder Hustens. Auch das Hochheben eines schweren Gegenstandes, das mit einer Erhöhung des Drucks auf die Blase einhergeht, kann ein auslösender Faktor sein. In schweren Fällen verlieren Betroffene Harn bei geringster Belastung.
Symptome einer Belastungsinkontinenz
Die Schwächung des Blasenschließmuskels führt zu einem Harnverlust, der von Betroffenen nicht mehr willentlich gesteuert werden kann. Das heißt, dass Betroffene dadurch ungewollt Harn verlieren. Allerdings verspüren Betroffene vorab keinerlei oder kaum Harndrang. Vielmehr verliert die Blase unter einer bestehenden körperlichen Belastung Urin, ohne dass es sich vorher bemerkbar macht. Das Ausmaß des Urinverlusts reicht von wenigen Tröpfchen bis hin zu einer vollständigen Entleerung der Blase.
- unwillkürlicher Harnverlust
- kein/kaum Harndrang
- wenige Tropfen bis vollständige Blasenentleerung
Schweregrade der Belastungsinkontinenz
Die Medizin unterscheidet bei der Belastungsinkontinenz drei verschiedene Schweregrade. Je nachdem, unter wie viel Belastung der Urinverlust eintritt, werden drei Stufen unterschieden.
- 1. Grad: Harnverlust bei schwerem Heben, sowie Husten oder Niesen.
- 2. Grad: Urinverlust bei abrupt stattfindenden körperlichen Bewegungsabläufen (aufstehen, Lagewechsel)
- 3. Grad: Harnverlust ohne konkreten körperlichen Auslöser (im Liegen)
Therapie bei Belastungsinkontinenz
Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, um eine Belastungsinkontinenz zu behandeln. Je nachdem welche Ursache vorliegt, werden verschiedene Therapiemöglichkeiten angeboten. Auf jeden Fall sollten Betroffene möglichst zeitig einen Arzt aufsuchen, um die Ursache der Erkrankung abklären zu lassen. Schließlich können die Symptome rasch gelindert werden, wenn die Harninkontinenz rechtzeitig behandelt wird. Mit dem Ziel, die Blasen- und Beckenbodenmuskulatur zu kräftigen, kommen viele konservative Behandlungsmethoden zum Einsatz. Zudem werden diese Therapien mit der Einnahme von Medikamenten kombiniert. Übrigens gehört Beckenbodentraining zu den besten und beliebtesten Therapien. Ungeachtet dessen sollte begleitend zur Therapie stets Inkontinenzmaterial wie Einlagen oder Windelhosen getragen werden.
Inkontinenzartikel tragen
Vielfach werden sogenannte Inkontinenzprodukte verwendet, die in Abhängigkeit von der persönlichen Inkontinenzstufe eingesetzt werden. Genauer gesagt ist das Ausmaß der Ausscheidungsmenge hierbei maßgeblich für das passende Produkt. Bei den Hilfsmitteln werden Inkontinenzeinlagen, Inkontinenzvorlagen, Inkontinenz-Slips und Inkontinenz-Pants angeboten. Wobei Einlagen und Vorlagen zu den offenen Systemen zählen und für leichten und mittleren Harnverlust geeignet sind. Dahingegen sind Slips und Pants Teil eines geschlossenen Versorgungssystems und werden von Menschen mit stärker ausgeprägtem Harnverlust genutzt.
Beckenbodentraining gegen Belastungsinkontinenz
Die bevorzugte konservative Therapie bei Belastungsinkontinenz ist immer noch das Beckenbodentraining. Das liegt daran, dass einer Belastungsinkontinenz vielfach eine muskuläre Schwächung des Beckenbodens zugrunde liegt. Je stärker der Beckenbodenmuskel ist, desto besser unterstützt er den Blasenschließmuskel in seiner Funktion. Ein gezieltes Training des Beckenbodens im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung reduziert die Blasenschwäche oft erheblich. Ziel ist das Vermitteln konkreter Übungen, die die Hebefunktion des Beckenbodens stärken. Das weitere Üben zu Hause ist in jedem Fall wichtig.
Studien belegen: Beckenbodentraining hilft
Studien belegen, dass sich schon nach einer Woche intensiven Beckenbodentrainings Blasen-Inkontinenz merklich verbessern kann. Nach 3 Monaten spüren die Teilnehmer sogar eine 80%ige Verminderung der Blasenschwäche. Das heißt, dass ein gezieltes Beckenbodentraining in jedem Alter sinnvoll ist. Denn mithilfe von gymnastischen Übungen werden der Schließmuskel der Blase und die Muskulatur des Beckenbodens gleichermaßen gekräftigt. Allerdings sollten Sie die Übungen über einen längeren Zeitraum absolvieren, um einen zufriedenstellenden Therapieerfolg zu erzielen. Beckenbodenübungen sind beispielsweise im Liegen sehr effektiv, wenn sie mehrmals am Tag und kurz durchgeführt werden.
Scheidengewichte zur Unterstützung des Trainings
Scheidengewichte und Beckenbodentrainer werden in der Medizin auch gerne als Feminakonen bezeichnet. Hierbei handelt es sich um kleine Gewichte, die in die Scheide eingeführt werden. Dadurch wird der Beckenboden langfristig gestärkt, was die Belastungsinkontinenz mindern soll. Denn die Frau muss aktiv ihre Muskeln anspannen, um die Gewichte zu halten. Neuerdings gibt es auch vibrierende Beckenbodentrainer, die die Effektivität verstärken sollen, da sie die innenliegende Muskulatur intensiv beanspruchen.
Elektrostimulation beim Beckenbodentraining
Die Elektrostimulation ist eine weitere Methode, um die Beckenbodenmuskulatur zu stimulieren. Bei dieser Therapie werden Elektroden in die Scheide eingeführt. Während die Muskulatur beim Beckenbodentraining aktiv angespannt wird, erfolgt die Anspannung bei der Elektrostimulation durch elektrische Impulse. Dadurch kräftigt diese Therapie nicht nur die Muskulatur des Beckenbodens, sie verbessert auch die Kontraktionsfähigkeit des Blasenschließmuskels.
Biofeedback bei Belastungsinkontinenz
Das Biofeedbacktraining ist eine weitere Methode, die ebenfalls eine aktive Mitarbeit des Patienten voraussetzt. Im Prinzip ist diese Trainingsmethode eine Mischung aus Beckenbodentraining und Elektrostimulation, um einen bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Um den Effekt des Beckenbodentrainings zu verstärken, wird die Therapie mit einem Messgerät durchgeführt, dessen Sonde in die Scheide eingeführt wird. Sobald die Beckenbodenmuskeln aktiviert werden, bestätigt das Gerät die Intensität der Kontraktion. Somit können Sie als Patient Ihren Trainingserfolg präzise protokollieren.
Unterspritzung der Harnröhre
Beim Unterspritzen wird eine Hydrokolloidlösung auf ringförmige Weise direkt in die Schleimhaut gespritzt. Sie wird dadurch wesentlich dicker, was zu einer gewollten Verengung der Harnröhre führt. Folgerichtig kommt es zu einer besseren Abdichtung der Harnröhre. Entsprechend resultiert daraus ein deutlich geringerer ungewollter Harnverlust. Darüber hinaus gilt die Methode als nahezu risiko- und nebenwirkungsfrei und führt meist zu sehr guten Ergebnissen.
Medikamentöse Therapie bei Belastungsinkontinenz
In manchen Fällen kann eine medikamentöse Therapie hilfreich sein. Hier steht der Wirkstoff Duloxetin zur Verfügung, der meist in Kombination mit einem Beckenbodentraining verordnet wird. Der Wirkstoff nimmt Einfluss auf die muskuläre Tätigkeit des Schließmuskels der Blase während der Phase der Blasenfüllung. Sollten die Ursachen der Belastungsinkontinenz hormonell bedingt sein, können Östrogene verschrieben werden. Das liegt daran, dass diese für eine gute Durchblutung und hohe Elastizität von Harnblase und Harnröhre sorgen.
Operative Therapie
Operationen erfolgen, wenn konservative Therapien wenig Erfolge erzielen bzw. kaum Besserung der Belastungsinkontinenz verschaffen. Wobei die häufigste operative Therapie das Legen von Vaginalbändern ist. Genauer gesagt, operiert der Arzt in einem minimalinvasiven Eingriff und legt die Vaginalbänder unter die Harnröhre der Frau. Somit sollen die Bänder die Harnröhre von innen stützen. Die Erfolgsaussichten sind sehr hoch und entsprechend vielversprechend. Übrigens gibt es andere operative Methoden, wie z.B. Unterspritzung, künstlicher Schließmuskel und Beckenboden-Wiederherstellung. Jedoch werden diese operativen Therapien eher selten angewendet.
Risiken von Belastungsinkontinenz
Aus medizinischer Sicht gibt es zunächst zwei Risikofaktoren, die nicht zu beeinflussen sind: Alter und Geschlecht. Je höher das Alter, desto größer das Risiko für eine Belastungsinkontinenz, vor allem bei Frauen. Beeinflussbare Risiken sind Lebensstil und körperliche Belastungen. Lebensstil bedeutet vor allem hohes Übergewicht im Bauchraum. Körperliche Belastungen sind Tätigkeiten, die mit dem Heben schwerer Gegenstände verbunden sind. Beides lässt sich eingrenzen durch ein gesundes Gewicht und angepasste Hebetechniken.
Vorbeugende Tipps und Tricks für den Alltag
Völlig verhindern lässt sich eine Belastungsinkontinenz nicht. Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten der Vorbeugung, die sich gut in den Alltag integrieren lassen.
- Regelmäßigkeit bei der Blasenentleerung (ausreichende Toilettenbesuche)
- Vermeidung von hohem Übergewicht zur Druckentlastung der Blase
- Erhöhung der Trinkmenge zur Vermeidung von Infektionen
- Erlernen von Entspannungstechniken wie z.B. Autogenes Training
Belastungsinkontinenz bei Frauen
Bei Frauen kommt die Belastungsinkontinenz wesentlich häufiger vor als bei Männern. Das liegt daran, dass ihr Becken anatomisch breiter angelegt ist. Gleichzeitig ist die Muskulatur des Beckenbodens schwächer ausgeprägt. Zusätzlich kommt meist eine Senkung der im kleinen Becken befindlichen Organe vor. Das passiert, wenn Frauen mehrere Entbindungen hatten. Dahingegen neigen die Haltebänder und auch der Beckenboden zu einer Überdehnung. Auch hormonelle Veränderungen, die in den Wechseljahren stattfinden, haben einen Einfluss auf eine mögliche Belastungsinkontinenz.
Belastungsinkontinenz bei Männern
Männer sind deutlich seltener von der Erkrankung betroffen als Frauen. Da sich das Krankheitsbild durch eine Beeinträchtigung des äußeren Schließmuskels der Blase bemerkbar macht, sehen die Ursachen bei Männern ganz anders aus. Folglich beeinflussen die auslösenden Ursachen maßgeblich die Heilungschancen. Gründe sind vor allem eine Tumorerkrankung, eine Prostatavergrößerung oder auch eine Infektion der Harnwege. Bei einer zugrunde liegenden Infektionserkrankung ist die Blasenschwäche meist reversibel.
Ursachen von Belastungsinkontinenz
Statistisch gesehen leiden rund 40 Prozent der Frauen an einer Belastungsinkontinenz. Dabei ist die häufigste Ursache eine Schwächung des Blasenschließmuskels, weshalb der Urin unkontrolliert abgeht. Aus diesem Grund gibt es gleich mehrere Ursachen für einen geschwächten Schließmuskel. Zu den häufigsten Ursachen zählen mehrere Schwangerschaften und häufige Blasenentzündungen. Zudem können weitere Ursachen zu einer plötzlichen Belastungsinkontinenz führen.
Ursache Belastungsinkontinenz bei Frauen
- mehrere Schwangerschaften bzw. Entbindungen
- häufige Blasenentzündungen
- Krebserkrankungen
- Beckenbodenschwäche
- Operationen
- Organsenkungen z.B. Blasensenkung oder Gebärmuttersenkung
- Wechseljahre (Hormonumstellung)
- Übergewicht
- Bewegungsmangel
- körperlich schwere Arbeit
Ursache Belastungsinkontinenz bei Männern
Bei Männern äußert sich die Erkrankung durch eine Schädigung des äußeren Blasenschließmuskels. Diese wird ebenso durch verschiedene Ursachen ausgelöst. Hingegen kommen schwere körperliche Belastungen bei Männern als Ursache meist nicht infrage.
- eine Krebserkrankung
- Vergrößerung der Prostata
- Harnwegsinfektionen
Diagnose Belastungsinkontinenz
Zunächst informiert sich der Arzt über die Beschwerden und die allgemeine Krankengeschichte. Ebenso wird er Angaben über Häufigkeit des Wasserlassens, Urinmenge und eventuelle Veränderungen des Harnstrahls erfragen. Dadurch erhält der Arzt einen Überblick über das Ausmaß der Erkrankung. Darüber hinaus stellt der Arzt weitere Fragen bezüglich Situationen, in denen der unfreiwillige Harnverlust stattfindet. Auch eine körperliche Untersuchung sowie eine Untersuchung des Urins sind Bestandteil einer ausführlichen Diagnostik. Je nach Ergebnis können weitere fachärztliche Untersuchungen relevant sein. Dementsprechend wird Sie der Arzt über weitere Untersuchungen beispielsweise beim Urologen, Gynäkologen oder Neurologen informieren.
Untersuchungen im Überblick
- Begutachtung der Genital- und Analregion
- digitale rektale Untersuchung
- Ultraschalluntersuchung des Harntraktes (Sonographie)
- Untersuchung des Blutes und des Urins
- Erfassung der Flüssigkeitsbilanz (Miktionsprotokoll)
- Computertomographie
- Windeltest
- Zystoskopie (Blasenspiegelung)
Beispiel für eine Erfahrung mit Belastungsinko
Die ersten Tropfen gingen bei Frau Seibel morgens nach dem Aufstehen ab. Nach einer Nacht ohne Toilettengang konnte sie beim Aufstehen den Urin plötzlich nicht mehr halten. Dies begann im Alter von etwa 65 Jahren. Von da an gewöhnte sich Frau Seibel an, mindestens einmal pro Nacht die Toilette aufzusuchen. Dies verschaffte Ihr noch etwa 1 Jahr, in dem sie keinen Urin mehr verlor. Aber nach diesem Jahr fing es plötzlich wieder an. Dieses Mal nicht nur morgens, sondern auch wenn sie hustete, nieste oder plötzlich vom Stuhl aufstand. Immer ging etwas Urin ab. Sie behalf sich mit normalen Slipeinlagen, die aber immer ein nasses Gefühl hinterließen. Der Arzt diagnostizierte nach Abklärung von schwerwiegenden Erkrankungen eine Belastungsinkontinenz bei Frau Seibel. Ausgelöst wurde diese laut ihres Frauenarztes durch eine Blasensenkung. Sie wird nun mit Einlagen versorgt, die speziell auf Blasenschwäche ausgelegt sind und ihr den Alltag trockener und angenehmer gestalten. Sollte Frau Seibel in Zukunft jedoch auch aus völliger Ruhe heraus Urin verlieren, wird eine Operation der Blase unumgänglich. Dabei würde diese wieder angehoben und auch die Ursache der Inkontinenz verbessert.
Fazit Belastungsinkontinenz
Inkontinenz gehört zu den häufigsten Erkrankungen, von denen Menschen im zunehmenden Lebensalter betroffen sind. Die Ursachen sind so vielfältig wie der Grad der Ausprägung, mit dem die Betroffenen jeweils konfrontiert sind. Aber die Medizin kennt vielfältige Möglichkeiten der Behandlung. Diese reichen von klassischen Übungen bis hin zu operativen Verfahren. Schließlich richtet sich die Therapie nach dem Schweregrad der Belastungsinkontinenz. In jedem Fall ermöglicht die Medikation für die meisten Personen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.
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