Was ist Harnverhalt | Harnverhaltung?
Ein Harnverhalt, auch als Harnretention, Ischurie oder Harnverhaltung bezeichnet, tritt auf, wenn trotz eines starken Harndrangs und einer gefüllten Harnblase die Fähigkeit zur Entleerung der Blase durch Urinieren eingeschränkt oder unmöglich ist. Diese Blasenentleerungsstörung kann entweder plötzlich auftreten (akut) oder sich über einen längeren Zeitraum chronisch entwickeln. Bei einem akuten Harnverhalt handelt es sich um einen medizinischen Notfall, der eine sofortige Behandlung nötig macht. Harnverhalt ist ein ernstes Gesundheitsproblem, das nicht vernachlässigt werden sollte, da er unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann.
Welche Symptome treten bei Harnverhalt auf?
Um die vielfältigen Symptome von Harnverhalt zu erläutern, muss zunächst zwischen einem akuten und einem chronischen Harnverhalt unterschieden werden. Beide Formen haben nämlich durchaus unterschiedliche Symptome. Bei einem chronischen Harnverhalt entwickeln sich plötzlich und ohne Vorwarnung schwerer und schmerzhafte Symptome. Ein dringender Harndrang und starke Schmerzen im Unterbauch begleitet von der Unfähigkeit, Urin abzulassen, kennzeichnen diese Form. Wohingegen sich der chronische Harnverhalt allmählich und über einen längeren Zeitraum entwickelt. Über Monate oder Jahre kann es dauern, bis Symptome deutlich werden. Diese sind häufig weniger akut und auch deutlich weniger schmerzhaft. Betroffene können einen erhöhten Harndrang haben und gelegentliche Probleme beim Wasserlassen. Bei der chronischen Form kann sich auch eine Überlaufinkontinenz entwickeln.
Akuter Harnverhalt Symptome
ist in der Regel von plötzlich auftretenden und schwerwiegenden Symptomen begleitet.
- Akuter starker Harndrang: Die betroffene Person verspürt einen überwältigenden Drang zu urinieren, der oft sehr schmerzhaft ist.
- Unfähigkeit, Urin abzulassen: Obwohl der Harndrang vorhanden ist, kann die betroffene Person keinen Urin ablassen, selbst wenn die Blase gefüllt ist.
- Starke Schmerzen: Akuter Harnverhalt geht in der Regel mit starken Schmerzen im Unterbauch einher. Diese Schmerzen können kontinuierlich sein oder in Wellen auftreten.
- Gefühl der vollen Blase: Betroffene haben oft das Gefühl, dass ihre Blase übermäßig gefüllt ist, selbst wenn nur eine geringe Menge Urin vorhanden ist.
- Harninkontinenz: In einigen Fällen kann es zu unkontrolliertem Harnabgang kommen, wenn die Blase überdehnt ist und der Druck zu groß wird.
Diese Symptome sind in der Regel sehr belastend und schmerzhaft. Akuter Harnverhalt erfordert eine sofortige ärztliche Behandlung, da er zu ernsthaften Komplikationen führen kann, wenn er unbehandelt bleibt.
Chronischer Harnverhalt Symptome
Chronischer Harnverhalt entwickelt sich über einen längeren Zeitraum und kann weniger akute, aber dennoch störende Symptome verursachen.
- Häufiger Harndrang: Die betroffene Person hat oft den Drang zu urinieren, auch wenn die Blase nur wenig gefüllt ist.
- Schwierigkeiten beim Wasserlassen: Es kann schwerer sein, den Harnfluss zu beginnen, und er kann schwächer oder intermittierend sein.
- Nachtröpfeln: Nach dem Wasserlassen tritt oft noch Urin nach, was dazu führen kann, dass die Unterwäsche nass wird.
- Das Gefühl einer unvollständigen Entleerung: Die Person hat oft das Gefühl, dass die Blase nicht vollständig entleert ist, selbst nach mehreren Versuchen.
- Schmerzen oder Beschwerden: Obwohl die Schmerzen in der Regel weniger akut sind als bei akutem Harnverhalt, können chronische Schmerzen im Unterbauch oder im Beckenbereich auftreten.
- Nächtliches Wasserlassen: Die betroffene Person muss häufig nachts aufstehen, um Wasser zu lassen.
- Harnwegsinfektionen: Aufgrund der unvollständigen Blasenentleerung besteht ein erhöhtes Risiko für wiederkehrende Harnwegsinfektionen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome des chronischen Harnverhalts allmählich zunehmen und die betroffene Person möglicherweise nicht sofort die Schwere des Problems erkennt. Dennoch sollte chronischer Harnverhalt nicht ignoriert werden, da er zu Komplikationen führen kann.
Was sind die Ursachen für Harnverhalt?
Ein Harnverhalt kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann er durch eine Verengung der Harnröhre verursacht werden, die oft auf wiederkehrende Entzündungen in der Blase zurückzuführen ist. Auch Hindernisse wie Blasensteine, Prostata- oder Blasenkrebs sind oft für eine Verengung verantwortlich.
Ein postoperativer Harnverhalt kann nach Operationen zur Behandlung von Organvorfällen oder Inkontinenz auftreten.
Anatomische Ursachen können bei Männern, wie beispielsweise eine gutartige Prostatavergrößerung, oder bei Frauen, meist eine gynäkologische Erkrankung wie eine Gebärmuttersenkung sein. In den frühen Schwangerschaftswochen kann sich die Gebärmutter stark ausdehnen und dadurch den Harnabfluss blockieren, was zu einem Harnverhalt führen kann. Narbenwucherungen und bösartige Tumore können ebenfalls den Harnabfluss blockieren.
Bei Kindern, insbesondere bei kleinen Jungen, können Harnröhren- oder Urethralklappen Harnverhalte verursachen. Diese Probleme können bereits vor der Geburt auftreten.
Neurologische Faktoren wie Diabetes-bedingte Polyneuropathie, offener Rücken (Spina bifida) und Multiple Sklerose können ebenfalls eine Rolle spielen. Neurologische Schäden können demnach zur Lähmung der Blasenmuskulatur führen und somit eine Blasenentleerungsstörung auslösen.
In einigen Fällen kann ein psychisch bedingter Harnverhalt auftreten, insbesondere bei Menschen mit einer sogenannten schüchternen Blase (Paruresis), die Schwierigkeiten haben, auf öffentlichen Toiletten zu urinieren. In dieser für sie unangenehmen Situation kann ein Harnverhalt auftreten. Die Einnahme bestimmter Medikamente wie Antidepressiva, Neuroleptika oder das Beruhigungsmittel Diazepam kann ebenfalls einen Harnverhalt auslösen.
Wie wird ein Harnverhalt diagnostiziert?
Die Diagnose einer Harnretention erfordert in der Regel eine gründliche Untersuchung und Beurteilung durch einen Facharzt. Dies ist in den meisten Fällen ein Urologe oder Gynäkologe. Dieser wird zunächst eine Anamnese durchführen und dann weitere körperliche Untersuchungen vornehmen. Handelt es sich um eine chronische Harnverhaltung, wird er zuerst Notfallmaßnahmen einleiten, um den Harn aus der Blase zu leiten.
Die genaue Vorgehensweise bei der Diagnose eines Harnverhalts kann je nach den individuellen Umständen des Patienten variieren. Sobald die Ursache des Harnverhalts ermittelt wurde, kann der Arzt eine geeignete Behandlung empfehlen, die von medikamentösen Therapien bis hin zu Interventionen wie Katheterisierung oder Operationen reichen kann.
Welche Behandlung bei Harnverhaltung?
Die Wahl der geeigneten Behandlung hängt von der individuellen Situation des Patienten ab. In vielen Fällen, insbesondere wenn der Harnverhalt akut ist und die Blase stark überfüllt ist, wird zuallererst ein dünner Katheter durch die Harnröhre in die Blase eingeführt, um den Urin abzuleiten. Dies wird als Katheterisierung bezeichnet und kann eine sofortige Erleichterung bringen. Es gibt intermittierende (zeitweise) und dauerhafte Katheter, je nach Bedarf des Patienten.
Wenn der Harnverhalt aufgrund einer vergrößerten Prostata (benigne Prostatahyperplasie) verursacht wird, können Medikamente wie Alpha-Blocker oder 5-Alpha-Reduktase-Inhibitoren verschrieben werden, um die Harnwege zu erweitern und den Urinfluss zu verbessern.
In einigen Fällen kann eine Operation notwendig sein, um die Ursache des Harnverhalts zu beseitigen. Dies kann bei Prostatakrebs, Blasenkrebs, Harnwegsverengungen oder anderen anatomischen Problemen erforderlich sein. Blasensteine werden mittels einer Blasenspiegelung oder einer Operation entfernt.
Ist eine entzündliche Erkrankung für die Verengung verantwortlich kommen Antibiotika zum Einsatz, die ein Abschwellen und Heilen der Entzündung schnell möglich machen.
Bei neurogenem Blasenverhalt, bei dem die Blasenmuskulatur betroffen ist, kann Blasentraining und Beckenbodengymnastik dazu beitragen, die Blasenfunktion zu verbessern.
Generell muss natürlich die Behandlung der Grunderkrankung parallel erfolgen. Denn wenn der Harnverhalt aufgrund einer anderen Erkrankung wie Diabetes oder Multipler Sklerose auftritt, ist es wichtig, die Grunderkrankung zu behandeln, um die Symptome des Harnverhalts zu lindern.
- Katheterisierung
- Medikamente
- Chirurgische Eingriffe
- Blasentraining
- Behandlung der Grunderkrankung
Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Ischurie?
Männer haben generell ein höheres Risiko für Ischurie aufgrund der Möglichkeit einer gutartigen Prostatavergrößerung, die den Harnabfluss behindern kann. Aber auch Frauen können von Ischurie betroffen sein, insbesondere in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, aber auch gynäkologischen Erkrankungen oder Organ Prolaps (als Prolaps wird der Vorfall eines Organs durch eine Öffnung bezeichnet.). Das Risiko für Ischurie steigt auch mit dem Alter, denn ältere Menschen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für Blasenprobleme, Prostatavergrößerung (bei Männern) und nachlassende Blasenfunktion.
Bestimmte medizinische Vorerkrankungen, wie Diabetes, Multiple Sklerose, neurologische Erkrankungen und häufige Harnwegsinfektionen, können das Risiko von Ischurie ebenfalls erhöhen, da sie die Nerven oder Muskeln beeinflussen, die für die Blasenentleerung verantwortlich sind.
Urologische Operationen oder andere Eingriffe im Beckenbereich können das Risiko von Ischurie ebenfalls ansteigen lassen, insbesondere wenn Narbenbildung oder Gewebeveränderungen auftreten. Auch angeborene oder erworbene anatomische Anomalien in den Harnwegen, wie Harnröhrenstrikturen oder Urethralklappen, steigern das Risiko von Ischurie. Es ist auch auszuschließen, dass einige Medikamente, insbesondere Antidepressiva, Antipsychotika und Beruhigungsmittel, die Blasenfunktion beeinträchtigen und das Risiko eines Harnverhalts erhöhen.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Risiko von Ischurie von Person zu Person unterschiedlich sein kann, und nicht jeder, der diese Risikofaktoren aufweist, wird zwangsläufig eine Ischurie entwickeln.
Welche Komplikationen können bei unbehandelter Harnretention auftreten?
Unbehandelte Harnretention kann zu einer Vielzahl von schwerwiegenden Komplikationen führen, da sie den normalen Harnabfluss aus der Blase behindert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Harnverhalt frühzeitig erkannt und behandelt wird, um diese potenziell ernsthaften Komplikationen zu vermeiden.
- Blasenüberdehnung: Wenn die Blase nicht entleert werden kann, kann sie sich überdehnen und stark ausgedehnt werden. Dies kann zu einer Schädigung der Blasenmuskulatur führen. Auch ein Blasenriss ist möglich.
- Harnwegsinfekte: Ein ständig überfüllter Blasenraum kann das Risiko einer bakteriellen Infektion erhöhen, da Bakterien sich in der stagnierenden Urinumgebung vermehren können. Dies kann zu einer schmerzhaften Blasenentzündung führen.
- Nierenschäden: Der Druck, der durch den gestauten Urin in der Blase auf die Nieren ausgeübt wird, kann langfristige Nierenschäden verursachen.
- Harninkontinenz: Wiederholter Harnverhalt und die daraus resultierende Dehnung der Blasenmuskulatur können zu Harninkontinenz führen, da die Blasenkontrolle beeinträchtigt wird.
- Harnwegssteine: Die Ansammlung von Urin in der Blase kann die Bildung von Harnwegssteinen begünstigen.
- Schädigung der Blasenmuskulatur: Bei anhaltendem Harnverhalt kann die Blasenmuskulatur geschädigt werden, was zu einer verminderten Fähigkeit der Blase führt, sich zusammenzuziehen und den Urin abzuleiten.
- Notfall: In schweren Fällen kann unbehandelter Harnverhalt zu einem lebensbedrohlichen Notfall führen, da er den Urinrückfluss in die Nieren erhöhen kann und eine rasche medizinische Intervention erforderlich machen kann.
Harnverhalt Selbsthilfe?
Viele fragen sich, ob es bei einem Harnverhalt eine Selbsthilfe gibt. Die Antwort lautet schlicht: Nein. Bitte versuchen Sie nicht sich selbst zu therapieren, indem Sie womöglich Blasen- und Nierentees zu sich nehmen oder andere Möglichkeiten der Selbsthilfe austesten. Suchen Sie immer einen Arzt auf, besonders wenn der Harnverhalt mit Schmerzen einhergeht, handelt es sich oft um einen medizinischen Notfall, der sofort behandelt werden muss. Sowohl Gynäkologen als auch Urologen können sehr gut helfen, die Problematik zu erkennen und entsprechend zu therapieren. Nicht jeder Harnverhalt ist gleich und hat dieselben Ursachen.
Gehen Sie immer erst zum Arzt!
Fazit Harnverhalt
Harnverhalt (Ischurie) ist ein ernstes medizinisches Problem mit verschiedenen Ursachen. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden. Ein unbehandelter Harnverhalt kann zu Blasenüberdehnung, Infektionen, Nierenschäden und anderen Problemen führen. Bei Symptomen ist also eine sofortige ärztliche Hilfe wichtig. Versuchen Sie nicht, den Harnverhalt selbst zu therapieren, es ist immer eine ärztliche Abklärung von Nöten, denn es kann auch immer eine andere Erkrankung dahinterstecken.
Zuletzt geändert:
Quellen
Schoenenberger, Ronald A. et al.: 2009 Internistische Notfälle DOI: 10.1055/b-0034-35961 6 Nephrologie 6.3 Harnverhalt
https://sop-notaufnahme.de/product/akuter-harnverhalt
https://www.kliniken-koeln.de/templates/documents/downloads/1_0_WEB_Blasenentleerungsstoerung.pdf
Bausch, K., Feicke, A. & Seifert, H.H. Urologische Notfälle: akuter Harnverhalt. Urol. Prax. 25, 148–153 (2023). https://doi.org/10.1007/s41973-023-00232-2