Definition Reflexinkontinenz
Die Reflexinkontinenz ist eine Form der Harninkontinenz, die vor allem bei Querschnittslähmung und anderen schweren Nervenschädigungen im Gehirn oder Rückenmark auftritt. Die Nervenbahnen zwischen Gehirn/Rückenmark und Blase sind bei dieser Form der Inkontinenz unterbrochen, so dass sich die Blase reflexartig und ohne Ankündigung entleert. Bei der Behandlung steht vor allem der Schutz der Nieren im Vordergrund.
Symptome der Reflexinkontinenz
Bei einer Reflexinkontinenz zieht sich der Blasenmuskel aufgrund eines Reflexes plötzlich zusammen, was zu einer Blasenentleerung führt. Dies geschieht in unterschiedlichen Abständen und Intensitäten. Der Betroffene empfindet vorher meist keinen Harndrang, weil der Reflex ohne Beteiligung des Gehirns stattfindet. Die meisten Betroffenen können den Blasenmuskel auch nicht mehr willentlich kontrollieren. Häufig bleibt Restharn in der Blase. Je nachdem, welche Grunderkrankung vorhanden ist, kommen weitere Symptome dazu, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Inkontinenz stehen.
Was passiert bei einer Reflexinkontinenz?
Normalerweise meldet die Blase ständig ihren Füllstand an das Gehirn, welcher dann Reize an den Körper gibt, um an eine Blasenentleerung zu denken. Unser Harndrang steigt, bis wir schließlich eine Toilette aufsuchen müssen. Bei verschiedenen Erkrankungen kann es jedoch passieren, dass die Nerven zwischen Gehirn und Blase gestört sind und die Anweisungen nicht mehr weitergegeben werden können. Um die Blase vor dem Platzen zu schützen, gibt das Rückenmark schließlich den Befehl zur Entleerung. Da das Gehirn (wie bei jedem Reflex) dabei gar nicht beteiligt ist, entleert sich die Blase ohne vorherigen Harndrang oder sonstige Vorwarnung. Auch eine gestörte Nervenleitung im Gehirn selbst kann der Grund sein, warum kein Harndrang mehr wahrgenommen wird.
Video Reflexinkontinenz erklärt
Ursachen für eine Reflexinkontinenz
Typisch ist eine „Reflexblase“ bei einer Querschnittslähmung. In einem solchen Fall sind die Nervenbahnen im Rückenmark unterbrochen und können keine Signale mehr weiterleiten. Auch bei einem sehr starken Bandscheibenvorfall können die Nervensignale unterbrochen sein. Weitere mögliche Ursachen sind degenerative Krankheiten wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Parkinson oder Demenz. Auch nach einem Schlaganfall, einer Hirnblutung oder bei Menschen im Wachkoma kann eine Reflexinkontinenz entstehen.
Spinale Reflexinkontinenz
Je nach Ursache unterscheidet man zwei verschiedene Formen: die spinale und die supraspinale Reflexinkontinenz (1). Bei der spinalen Form liegt die Ursache im Rückenmark, wo die Übertragung zwischen Gehirn und Blase gestört oder unterbrochen ist. Das ist zum Beispiel bei einem schweren Bandscheibenvorfall oder einer Querschnittslähmung der Fall. Durch die unterbrochene Nervenleitung spürt der Betroffene den Füllstand der Blase nicht, weil die Information darüber nicht im Gehirn ankommt.
Supraspinale Reflexinkontinenz
Bei der supraspinalen Form (1) der Reflexinkontinenz liegt die Ursache im Gehirn, also oberhalb („supra“) des Rückenmarks („spinal“). Der Nervenimpuls der Blase kommt bei dieser Form zwar noch im Gehirn an, kann dort aber nicht mehr richtig verarbeitet werden. Dadurch sendet das Gehirn entweder nicht den richtigen Befehl, nämlich den Drang, zur Toilette zu gehen. Oder es sendet den Befehl zu einem falschen Zeitpunkt, sodass die Blasenentleerung ohne Vorwarnung erfolgt.
Häufigkeit der Reflexinkontinenz bei Männern und Frauen
Da die Reflexinkontinenz immer durch eine Grunderkrankung ausgelöst wird, gibt es (im Gegensatz zu anderen Formen der Inkontinenz) keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Je nach Erkrankung ist die Häufigkeit unterschiedlich: Bei Krankheiten wie Demenz oder Parkinson hängt die Reflexinkontinenz von der Stärke der Erkrankung ab. Bei einer Querschnittslähmung oberhalb des Blasenzentrums tritt sie in den meisten Fällen auf.
Größtes Problem der Reflexinkontinenz – Gefahr für die Nieren!
Normalerweise spüren wir den Füllstand unserer Blase schon bei etwa 30 Prozent Füllmenge. Bei etwa 50 Prozent wird der Harndrang so groß, dass wir eine Toilette aufsuchen und die Blase entleeren. Bleibt dieser Drang aus, füllt sich die Blase sehr viel weiter an, bis auf 90, 100 oder sogar 110 Prozent. Erst dann löst das Rückenmark als Notfallmaßnahme die reflexhafte Entleerung aus. Eine solch starke Dehnung schadet aber der Blase und vor allem den Nieren. Der Druck im Blasensystem ist bei einer solch starken Füllung massiv erhöht. Dadurch kann es zu einem Rückstau kommen, der die Nieren schädigt. Der Schutz der Nieren steht bei der Behandlung der Reflexinkontinenz deshalb immer im Vordergrund.
Behandlung der Reflexinkontinenz
In den meisten Fällen kann das Signal zwischen Gehirn und Blase leider nicht mehr hergestellt werden, die Ursache der Reflexinkontinenz kann also nicht beseitigt werden. Um die Nieren zu schützen und den Betroffenen eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen, ist deshalb eine regelmäßige Entleerung der Blase notwendig. Das erfolgt mit einem Katheter, also einem Kunststoffröhrchen, das durch die Harnröhre in die Blase eingeführt wird und wodurch der Urin abfließen kann. Wenn möglich, nimmt der Patient die Katheterisierung mehrfach am Tag selbst vor. Ist das nicht möglich, wird ein Dauerkatheter eingesetzt. (2)
Einmalkatheterisierung durch den Patienten
Diese Behandlungsform kann dann eingesetzt werden, wenn der Patient geistig und körperlich dazu in der Lage ist, sich selbst zu katheterisieren. Dies ist zum Beispiel bei einer Querschnittslähmung häufig der Fall. Mehrmals am Tag setzt der Patient selbst einen Einmalkatheter in die Harnröhre ein, um die Blase zu entleeren. Der Urin kann dabei entweder direkt in die Toilette oder auch in einen Urinbeutel abgeleitet werden. Nach der Anwendung wird der Katheter sofort entfernt und entsorgt. Die Technik ist anfangs etwas ungewohnt und unangenehm, wird aber schnell erlernt. Eine ausführliche Schulung durch ausgebildete Fachkräfte ist notwendig.
Alternative Behandlung durch Dauerkatheter
Ist der Patient nicht in der Lage, sich selbst zu katheterisieren, kommt ein Dauerkatheter zum Einsatz. Dieser wird einmal in die Harnröhre eingesetzt und kann dann zwei bis vier Wochen liegen bleiben. Nach dieser Zeit wird er entfernt und ein neuer Katheter eingesetzt. Durch den Katheter kann der Urin jederzeit ablaufen, sodass die Blase sich nicht mehr übermäßig füllen kann. Ein Dauerkatheter hat jedoch einige Nachteile. Zum einen empfinden viele Patienten den dauerhaften Katheter und den angeschlossenen Urinbeutel als unangenehm. Und zum anderen besteht immer die Gefahr von Infektionen durch den Katheter. Trotzdem ist diese Behandlungsmethode zum Schutz der Nieren notwendig.
Zusätzliche Behandlung durch Medikamente und andere Maßnahmen
Um die Blasenentleerung zwischen den Kathetereinsätzen zu verhindern, können krampflösende Medikamente zum Einsatz kommen, die die Blasenmuskulatur entspannen. Dadurch wird der Druck auf die Blase verringert und die reflexhafte Entleerung findet nicht statt. Zur weiteren Unterstützung kann die Elektrostimulation hilfreich sein. In einigen Fällen kommen auch Operationen infrage, die die Reflexinkontinenz verbessern können.
Hinweis! Unsere Artikel sind kein Ersatz für einen Besuch beim Arzt. Bitte beachten Sie, dass wir allgemein über Krankheitsbilder informieren. Eine Diagnose kann nur ein Arzt feststellen.
Zuletzt geändert:
Quellen
(1) bbraun https://www.bvmed.de/de/versorgung/hilfsmittel/hilfsmittel-aufsaugende-inkontinenz/inkontinenz-in-deutschland-zahlen-daten-fakten
(2) Urologisches Zentrum Bonn https://www.urologisches-zentrum-bonn.de/urologie-bonn/inkontinenz-blasenschwaeche-harnverlust-wasserlassen-harnblase-harnroehre-harnblasenschliessmuskel-beckenbodenmuskulatur-urin/
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2003-38412.pdf